Bremen, 24.9.2001 Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) e.V.
Presseerklärung des FIfF e.V. zur Ehrung von Prof. Dr. David L. Parnas am 30. September 2001 auf der FIfF-Jahrestagung 2001 in Bremen
Verantwortung in einer von Informationstechnik durchdrungenen Welt
FIfF-Preis für Prof. Dr. David L. Parnas
Woran erkennt man, dass ein Gerät aufwändige Software enthält? Antwort Ein solches Gerät hat einen sogenannten „RESET“-Knopf mit dem man alle Prozesse abbrechen und das Gerät in einen definierten Ausgangszustand versetzen kann. Dahinter steckt ein fundamentales Problem der Informatik Wie entwickelt man qualitativ hochwertige Software, die die Notwendigkeit zum Auslösen dieses Knopfes verringert und die Konsequenzen mildert?
Das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) e.V. verleiht auf seiner diesjährigen Jahrestagung zum zweiten Mal den FIfF-Preis und ehrt damit Prof. David Parnas von der McMaster University in Hamilton, Canada für seine herausragenden Leistungen speziell im Hinblick auf die Verantwortung des Informatikers.
Pionier der Softwaretechnik
Prof. Parnas ist einer der Väter der Softwaretechnik und hatte mit dem von ihm 1972 entwickelten Konzept der Informationskapselung (Information Hiding) den Grundstein für ein Bausteinkonzept gelegt, das es ermöglicht, komplexe Softwaresysteme zu zerlegen und einzelnen ProgrammiererInnen die Verantwortung für die Realisierung eines Bausteins (Modul) zu übertragen. Die Reduzierung von Komplexität durch Modularisierung ist eine zentrale Herausforderung bei der Entwicklung verlässlicher Informatiksysteme. Auch in seinen vielen weiteren Arbeiten (mehr als 200 Veröffentlichungen) und in seinen beruflichen Aktivitäten hat Prof. Parnas sich in besonderer Weise darum bemüht, Techniken und Verfahren zu entwickeln, die den ProgrammiererInnen helfen sollen, qualitativ hochwertige Softwaresysteme zu entwickeln. Dabei ging es ihm nicht nur um abstrakte wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern vor allem auch um die Handhabbarkeit von formalen Methoden, die Entwicklung beruflicher Standards für die Ausbildung und die Zertifizierung und Überprüfung der Einhaltung solcher Standards in der beruflichen Praxis.
Ausstieg aus SDI-Ausschuss
Entscheidend ist vor allem, dass immer da, wo solche Standards nicht erreicht werden konnten und können, Prof. Parnas warnend seine Stimme erhob und er dabei auch nicht vor persönlichen Konsequenzen zurückschreckte. Bekannt geworden ist seine technisch begründete Kritik am SDI-Programm der USA (Star Wars), als er 1985 nach zwei Monaten den vom damaligen Präsidenten Reagan initiierten SDI-Ausschuss verließ. Als Informatiker hat Parnas vor über 15 Jahren vor der technischen Unmöglichkeit desselben Raketenabwehrprogramms gewarnt, das heute wieder von der Bush-Administration finanziert wird. Star Wars konnte nicht funktionieren, wird nie funktionieren und bietet erst recht keinen Schutz gegen terroristische Attacken.
David Parnas ist für das FIfF ein Beispiel dafür, fachliche Verantwortung auch gegen politischen Opportunismus zu verteidigen.
Vorbild für Verantwortung
Das FIfF ehrt Prof. Parnas für seine besonderen Leistungen, Theorie und Praxis zu verbinden, dabei hohe Qualitätsstandards in Ausbildung und Beruf zu etablieren und sich in einzigartiger und konstruktiver Weise den Fragen der Verantwortung des Wissenschaftlers in einer von Informationstechnik durchdrungenen Welt zu stellen. Insofern ist David L. Parnas ein Vorbild nicht nur für Informatikerinnen und Informatiker, sondern für uns alle.
Reinhard Keil-Slawik, Vorsitzender des FIfF e.V.; David L. Parnas; Frieder Nake
Text der Laudatio von Prof. Dr. Frieder Nake anläßlich der Preisverleihung
Zur Person: David L. Parnas wurde 1941 in New York geboren, studierte an der Carnegie Mellon University (Ph.D. in Electrical Engineering). Er arbeitete u.a. bei der Philips Computer Industry (Apeldoorn), im United States Naval Research Laboratory in Washington, D.C, und bei der IBM Federal Systems Division. Er war Professor an der University of Victoria, der Technischen Universität Darmstadt, der University of North Carolina at Chapel Hill, der Carnegie Mellon University und der University of Maryland. Gegenwärtig ist er Direktor des „Software Engineering Programmes“ im Fachbereich Informatik der Fakultät für Ingenieurwissenschaften an der McMaster Universität in Hamilton, Kanada. Ihm wurde die Ehrendoktorwürde der ETH in Zürich sowie die der Université catholique de Louvain (Belgien) verliehen. Für sein Engagement für den Einsatz der Computer Technologie zum Wohle der Gesellschaft erhielt er als erster Preisträger den "Norbert Wiener Award for Professional and Social Responsibility".
FIfF e.V.: Das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) e.V. versteht sich als kritisches Diskussionsforum für Fachwelt und Öffentlichkeit über die Rolle der Informatik. Im Zentrum stehen dabei die Wirkungen der Informationstechnik auf Gesellschaft und Umwelt. Das FIfF hat über 900 Mitglieder aus Wissenschaft und Praxis, organisiert Tagungen und Veranstaltungen, gibt vierteljährlich die Fachzeitschrift „FIfF-Kommunikation“ heraus und kooperiert mit zahlreichen in- und ausländischen Initiativen und Organisationen.
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